logo Thorsten Pawletta, Hochschule Wismar - University of Technology, Business & Design
Projektarbeit
Thema:
Entwicklung eines Simulations-/Visualisierungsmoduls für
Bauplatzuntersuchungen in der Flugzeugstrukturmontage


Eingereicht am :
  01.04.2002
von :
  Daniel Beese
Betreuer :
  Prof. Dr.-Ing. T. Pawletta
Betriebsbetreuer :
  Dipl.-Ing. E. Klemkow

 

Problemstellung

Die Simulationstechnik findet mit stetig steigender Rechnerleistung vermehrt Einsatz in der Simulation von Fertigungssystemen. Neben der etablierten Materialflusssimulation gewinnt die Visualisierung der in einem Produktionssystem ablaufenden Vorgänge zunehmend an Bedeutung. Für diese Aufgaben stehen eine Vielzahl von Simulationswerkzeugen zur Verfügung.

Die Untersuchung der Möglichkeiten der Visualisierung und der Aufbau eines visualisierten Modells der Flugzeugstrukturmontage der Single-Aisle- und der Wide-Body-Flugzeuge sowie die Durchführung von Simulationsexperimenten waren die Themen der Arbeiten von Martin Kremp und Stephan Streck.
In diesen Arbeiten für die EADS Airbus GmbH wurde das Simulationssystem QUEST® der Firma Delmia benutzt. QUEST® ist ein objektbasiertes System zur Materialflusssimulation und deren Visualisierung. Es können Maschinen definiert werden, die in Prozessen Teile bearbeiten, welche durch Quellen erzeugt und von Transportmitteln befördert werden können. Am Ende eines QUEST®-Modells stehen Senken, durch welche die Teile das Modell verlassen.
In den vorangegangenen Arbeiten sind die Arbeitsplätze und die Großbauteile in 3D erstellt und mit einer Logik versehen in einem Modell der Flugzeugstrukturmontage dargestellt worden. Die Bauplätze stellen mit statischen Prozesszeiten die kleinsten Elemente des Modells dar.

Ziel dieser Arbeit ist die detaillierte Abbildung der an einem ausgewählten Bauplatz ablaufenden Prozesse. Es soll ein Einzelmodell des Bauplatzes und eine in das bestehende Modell der Flugzeugstrukturmontage integrierte Version erstellt werden.
Untersucht wird die Montage der Sektion 15/21 (Abb. 1) eines A 320 (Single-Aisle-Flugzeug) an zwei benachbarten Bauplätzen am Standort Hamburg. An diesen Bauplätzen wird aus der Grundsektion 15/21, zwei Seiten-, einer Unter- und einer Oberschale die Struktur der Sektion 15/21 gefertigt.

Abb.1: Aufteilung eines A 321

Diese Bauplätze führen die gleichen Tätigkeiten aus und sollen gemeinsam einen Bohr- und Nietroboter benutzen. Um eine ggf. auftretende Behinderung durch die gemeinsame Nutzung dieses Nietroboters zu verhindern, sind diese Bauplätze Ziel der Simulationsuntersuchung. Das Simulationsmodell soll neben diesen Untersuchungsmöglichkeiten auch zur Durchsatzanalyse des Bauplatzes verwendbar sein.

Weiterhin soll mit dieser Arbeit geklärt werden, ob das Simulationssystem QUEST® für die detaillierte Simulation komplexer Montageprozesse, wie an den Bauplätzen der Fugzeugstrukturmontage, geeignet ist.

Gliederung

· Analyse des bestehenden Simulationsmoduls

· Systemanalyse bzw. Analyse der am Bauplatz ablaufenden Prozesse

· Modellbildung der Bauplätze

· Implementierung des Modells in QUEST®

· Validierung/Verifikation

· Durchführung von Simulationsexperimenten

Die Analyse des bestehenden Simulations-/Visualisierungsmoduls der Flugzeugstrukturmontage, welches das Ergebnis der Diplomarbeit von Stephan Streck ist, stellt die Grundlage für die Integration des Bauplatzmodells in das Gesamtmodell der Flugzeugstrukturmontage dar. Der Aufbau des Modells zur Bauplatzsimulation muss den Strukturen des bestehenden Modells angepasst werden.

In der Systemanalyse ist aus existierenden Arbeitspaketen, Vorgabezeiten, Montagehandbüchern und Analysen der Montageabläufe am Bauplatz eine Einteilung einzelner Arbeitsinhalte in Prozessblöcken vorgenommen worden. Werden diese Prozessblöcke auf einem Zeitstrahl dargestellt, beschreiben sie alle Montagearbeiten am Bauplatz. Weiterhin wurden für jeden Prozessblock spezifische Kennwerte, welche den Mitarbeitereinsatz für die Montagetätigkeiten darstellen, erfasst.
Die Abfolge der Prozessblöcke besteht aus linearen und parallelen Anteilen. Die Prozessblöcke lassen sich als "fest" oder "variabel" charakterisieren. Feste Prozessblöcke besitzen eine definierte Position innerhalb eines Montagezyklus. Die Lage der variablen Prozessblöcke ist durch den aktuellen Systemzustand gekennzeichnet.

In der Modellierung ist die Organisation der Ausführung der Prozessblöcken, in Abhängigkeit der stattfindenden Ereignisse des Systems (das System wird ereignisorientiert modelliert), in einer Entscheidungstabelle erstellt worden. Diese Tabelle stellt die Steuerlogik des Modells dar. Der Systemzustand wird durch verschiedene Prozess-Zustands-Flags, die den Fortschritt der Montagearbeiten dokumentieren, erfasst. Treten die nach der Steuerlogik definierten Ereignisse ein, die durch die Prozess-Zustands-Flags und die Prozess-Rang-Flags (teilen den Prozessblöcken eine Ausführungspriorität zu) beschrieben werden, müssen die entsprechenden Prozessblöcke gestartet werden. Dazu werden Aktions-Flags, die den Prozessblöcke zugeordnet sind, "gesetzt".
Das Modell zur Abbildung der Prozessabläufe am Bauplatz umfasst weiterhin die Berechnung der aktuellen Prozesszeit des auszuführenden Prozessblockes. Die Berechnung wird in Abhängigkeit des Schichtplanes am Bauplatz und der Prozessblockkennwerte, die den Mitarbeitereinsatz spezifizieren, durchgeführt. Das Auftreten von parallelen Prozessabschnitten ist über zusätzliche Regeln, welche den Mitarbeitereinsatz bei gleichzeitig ablaufenden Prozessen festlegen, realisiert. Das Modell beinhaltet weiterhin die Möglichkeit, zusätzliche Parallelitäten zwischen einzelnen Prozessblöcken zu definieren.

Die Implementierung teilt sich in zwei Bereiche. Der erste Teil ist die graphische Umsetzung der Bauplätze sowie des Nietroboters und das damit verbundene Erstellen eines QUEST®-Modells (siehe Abb. 2).

Abb.2: Nietroboter und Montagebauplätze der Sektion 15/21

Im zweiten Schritt muss die Prozesslogik des Bauplatzes, die das eigentliche Simulationsmodell widerspiegelt, erstellt werden. Die Prozesslogik wird in einem QUEST®-Modell zur benutzerdefinierten Organisation der an einer Maschine ablaufenden Prozesse genutzt. Die Umsetzung der Steuerlogik innerhalb der Prozesslogik der zu simulierenden Bauplätze ist daher zweckmäßig. Die Prozesslogik ist ein in SCL (Simulation Control Language) zu erstellendes Skript. Die Regeln der Steuerlogik werden durch einfache if-then und switch-case Verzweigungen abgebildet. Die Berechnung der Prozesszeit wird neben dem Einlesen der Simulationsparameter und der Ausgabe der Simulationsergebnisse ebenfalls durch die Prozesslogik vorgenommen.

Struktur der Prozesslogik

Für Übergabe der Simulationsparameter und den Simulationsergebnissen wird die ASCII-Schnittstelle in QUEST® benutzt. Zusätzlich wurde die ASCII-Schnittstelle für die Benutzung von EXCEL 2000® erweitert (siehe Abb. 3).

Abb. 3: erweiterte ASCII-Schnittstelle

Mit Hilfe von VBA-Skripten (VBA Visual Basic for Applications) können in EXCEL®automatisch Inputfiles, welche die Simulationsparameter enthalten, erstellt und Outputfiles, welche die Simulationsergebnisse beinhalten, ausgewertet werden. Für jeden Simulationsdurchlauf wird eine xls-Reportdatei erzeugt. Auswertbar sind die Prozesszeiten (in Ablaufplänen) der Bauplätze und die Mitarbeiteranzahl als Funktion der Zeit. Speziell aus der Mitarbeiteranzahl wird die Kapazität nach dem Schichtplan, die tatsächlich erbrachte und die resultierende freie Mitarbeiterkapazität berechnet (siehe Abb. 4).

MA = Mitarbeiter, MAS = Mitarbeiter nach Schichtplan










































Abb. 4: Ablaufplan/Mitarbeiterkapazität

Die Validierung des Modells (speziell der Steuerlogik) ist im Vorfeld durch Systembeobachtungen durchgeführt worden. Die Überprüfung der Implementierung erfolgt begleitend zur Modellumsetzung. Für die wichtigsten Bestandteile, wie z. B. der Prozesszeitberechnung, wurden ausgedehnte Beispielrechnungen zur Kontrolle ausführt.

Die Durchführung von Simulationsexperimenten im Rahmen dieser Arbeit dient dem Aufzeigen verschiedener Simulationsansätze, die eine Verbesserung des Durchsatzes am Bauplatz bewirken sollen. Ein Simulationsansatz ist die Veränderung der Startzeit des Montagezyklus der Bauplätze. Hier ist für eine beispielhafte Modellparametrierung ein Bereich der Startzeitverschiebung, bei dem es zu keiner Überschneidung bei der Benutzung des Nietroboters kommt, bestimmt worden. Ein weiterer Ansatz ist die Durchsatzerhöhung, bestehend aus der Verkürzung der Zykluszeit und der Verringerung der freien Mitarbeiterkapazität während der Montage. Beide Teilfunktionen werden zusammen in einer Zielfunktion dargestellt. Der Schichtplan ist für diese Untersuchung der zu variierende Parameter. Für einen Zweischichtbetrieb ist in Abb. 5 die zu minimierende Zielfunktion abgebildet. Um einen optimalen Schichtplan zu ermitteln, werden die Simulationsexperimente tageweise für den Montagezyklus durchgeführt. Die Mitarbeiteranzahl in den Schichten wird zunächst grob variiert und in Bereichen eines Minimums verfeinert.

Abb. 5: zweiter Simulationsansatz

Zusammenfassung

Die ereignisorientierte Simulation der Montage der Sektion 15/21 zeigt die Grenze des Bestrebens, Bauplätze mit hohem Detaillierungsgrad im Gesamtmodul zu modellieren, auf.
Da die vielen Einzelprozesse während der Montage der Sektion 15/21 zu Prozessblöcken zusammengefasst werden müssen, um ein überschaubares Simulationsmodell zu entwerfen, muss auf Grund der starken Unabhängigkeit der Mitarbeiter am Bauplatz eine bleibende Modellabweichung akzeptiert werden.

Die Visualisierung der einzelnen Montageprozesse am Bauplatz ist wegen der Einteilung der Montageprozesse in Prozessblöcken und der bei einer Visualisierung entstehenden hohen Teilevielfalt nicht sinnvoll. Der bestehende Visualisierungsgrad des Modells der Strukturmontage ist auf Grund der Tatsache, dass die Bauplatzsimulation für die Analyse und Optimierung des Durchsatzes benutzt werden soll, ausreichend.

Das erstellte Modell zur Bauplatzsimulation und die in das Gesamtmodell integrierte Version lassen sich für die Simulation des Durchsatzes der Bauplätze bzw. des Durchsatzes und des Materialflusses (im Gesamtmodell der Flugzeugstrukturmontage) benutzen.
QUEST® stellt für Durchsatzsimulationen, die sich auf Montagearbeiten beziehen, kein geeignetes Werkzeug dar. Um die ablaufenden Montagearbeiten realitätsnah beschreiben zu können, war die Implementierung von Grundfunktionen (wie z. B. die Darstellung eines parallelen Prozesses an einer Maschine) notwendig.

Weiterhin zeigt diese Arbeit Ansätze zur Durchführung von zielgerichteten Simulationen mit den bestehenden QUEST®-Modellen zur Verbesserung des Durchsatzes an den Bauplätzen der Flugzeugstrukturmontage. Für die Auswertung der Simulationsergebnisse steht eine erweiterte ASCII-Schnittstelle für EXCEL 2000® zur Verfügung.

Daniel Beese