Research Group Computational Engineering & Automation (CEA), Hochschule Wismar - University of Technology, Business & Design

Diplomarbeit

Genetische Methoden zur Optimierung von Satelliten Thermalmodellen bei EADS ASTRIUM

Fertigstellung Oktober 2006






1. Betreuer HS Wismar:
2. Betreuer HS Wismar:
3. Betreuer EADS:
Prof. Dr.-Ing. T. Pawletta
Prof. Dr.-Ing. S. Pawletta
Dipl. Ing. J. Schilke
  Michael Roscher
Studiengang Maschinenbau
 


Einleitung

Hochtechnologien wie die Raumfahrt greifen zur Planung und Entwicklung ihrer Missionen vorwiegend auf die rechnergestützte Simulationen von technischen Systemen zurück, um Raumfahrzeuge in einer möglichst weltraumähnlichen Umgebung zu testen und somit das Risiko eines späteren kostenintensiven Verlusts der Mission zu vermeiden. Besonderes Augenmerk wird dabei auf die Thermalkontrolle des Raumfahrzeuges gelegt. Die hierfür benötigten Tests am Raumfahrzeug, bei denen die im Weltraum herrschenden extremen thermalen Umweltbedingungen in Thermalkammern erzeugt werden müssen, sind mit sehr hohen Kosten verbunden. Aus diesem Grund werden in der Thermalanalyse mathematische Software- Modelle des Raumfahrzeuges erstellt, mit denen das thermisches Verhalten simuliert werden kann.

Problemstellung

Natürlich muss das mathematische Modell, auf Grund der in ihm vorhanden physikalischen Vereinfachungen, durch Thermaltests am realen Raumfahrzeug, verifiziert und angepasst werden. Erst dann können verlässliche Vorhersagen für unterschiedliche thermale Belastungsfälle während einer Mission getroffen werden. Hierfür ist eine große Anzahl an Faktoren (Parameter) im mathematischen Modell enthalten, mit welchen der Thermalingenieur die Wärmekopplungen, Wärmeflüsse und Wärmestrahlungen des Modells ändern kann. Diese Modellapproximation ist sehr anspruchsvoll und zeitaufwendig, da die optimale Einstellung von Hunderten miteinander in Beziehung stehenden Parametern gefunden werden muss. Bis Heute wurde diese Parameteroptimierung manuell vom Thermalingenieur vorgenommen.
Diese Diplomarbeit soll hier durch die Implementierung eines rechnergestützten Optimierungsalgorithmus Abhilfe schaffen.

Zielstellung

Für EADS ASTRIUM soll ein Programm entwickelt werden, mit welchem die Parameteroptimierung von Satellitenthermalmodellen, unter Verwendung eines Genetischen Algorithmus (GA), durchgeführt werden kann. Hierfür muss der Datenaustausch zwischen der MATLAB Genetic Algorithm Toolbox, welche den GA darstellt, und den ASTRIUM Thermalberechnungsprogrammen ESATAN und ESARAD, welche das Satellitenthermalmodel berechnen, realisiert werden.

Genetische Algorithmen

Genetische Algorithmen sind Suchverfahren, die an die Prinzipien der biologischen Evolution angelehnt sind. Aus einer erzeugten Anzahl unterschiedlicher Parameterkombinationen (Individuen), die jeweils eine Lösung des Problems repräsentieren, sollen diejenigen herausgefiltert werden, die einem bestimmten Gütekriterium am besten entsprechen. Dies wird erreicht, indem die Eigenschaften der Individuen, oder anders ihre Parameterwerte, durch genetische Operatoren (Selektion, Rekombination, Mutation, usw.) miteinander kombiniert werden. Die Gesamtheit der Individuen in einem Iterationsschritt wird als Population bezeichnet. Die Struktur eines allgemeinen GA ist in Abb. 1 dargestellt.

 

Abb. 1: Struktur eines Genetischen Algorithmus

MATLAB Genetic Algorithm Toolbox (GAT)

MATLAB liefert mit der GAT einen voll Programmierten Basis GA, welcher mit allen nötigen Strategien und Operatoren ausgestattet ist. Der Anwender realisiert nur noch die mathematische Codierung des Optimierungsproblem, wählt schon vorprogrammierte Funktionen für die jeweiligen Operatoren (Mutation, Selektion, Rekombination, usw.), spezifiziert Einstellungen der zu verwendeten Population und definiert das Abbruchskriterium.

Thermale Simulationssoftware ESATAN / ESARAD

Um den realen Satelliten mathematisch zu beschreiben, wird seine Geometrie ähnlich wie bei der FEM Berechnung durch ein idealisiertes Knotenmodell beschrieben (Abb. 2).
Die Knotentemperaturen werden durch Wärmeflussgleichungen zwischen den Knoten berechnet. Hierfür stehen die Thermalanalyseprogramme ESATAN und ESARAD zur Verfügung.
 
Abb. 2: Idealisiertes Knotenmodell eines Satelliten

Astrium GA Tool für ESATAN (AGATE)

Das im Rahmen dieser Diplomarbeit entwickelte Programm AGATE verbindet die Thermalanalyseprogramme ESATAN und ESARAD mit einem Genetischen Algorithmus (MATLAB GAT). AGATE ist hierbei den beiden Programmen übergeordnet und koordiniert die Daten Ein– bzw. Ausgabe sowie die Datenströme zwischen GAT und ESATAN / ESARAD. Das Programm wurde mit der Softwareentwicklungsumgebung MATLAB 7.2 erstellt. Der Programmalgorithmus ist in Abb. 3 abgebildet.

 
Abb. 3: Programmalgorithmus AGATE

AGATE kann über ein GUI oder eine Eingabe Datei gestartet werden. Nach dem Start erzeugt AGATE eine Startpopulation, aus der Individuen schrittweise an ESATAN übergeben werden. ESATAN berechnet dann, unter Verwendung der Wärmekopplungen und mit den von ESARAD berechneten Daten, die sich ergebenen Knotentemperaturen des Thermalmodells. Diese Knotentemperaturen werden mit den im Thermalversuch gemessenen Knotentemperaturen des Satelliten verglichen. Die berechnete Temperaturdifferenz des gesamten Thermalmodells wird anschließend durch die Gütefunktion bewertet. Somit besitzt jedes Individuum einen Gütefunktionswert. Wenn die ESATAN Simulationen aller Individuen der Population abgeschlossen sind, übergibt AGATE alle Gütewerte der berechneten Individuen an die MATLAB GAT. Diese erzeugt unter Verwendung von genetischen Operatoren, eine neue Population. Dieser Kreisprozess läuft bis ein vordefiniertes Abbruchkriterium erreicht ist. Ist das Optimum gefunden, übergibt die GAT die beste Parametereinstellung an AGATE. Die Software wertet die erhaltenen Daten aus und erzeugt die Ausgabedateien.

Zusammenfassung und Ausblick

Das Ergebnis dieser Diplomarbeit ist die Software AGATE. Durch Verifizierungsexperimente an einem Satellitenthermalmodell wurde bewiesen, dass die Software in der Lage ist eine Parameteroptimierung für ein mathematisches Thermalmodell durchzuführen. AGATE benötigte für die Optimierung rund 24 Stunden. Dem gegenüber steht die dreimonatige Berechnungszeit der manuell durchgeführten Optimierung.
AGATE wird für die Thermalberechnung zukünftiger EADS Satellitenprojekte wie "TandemX" eingesetzt. Der Focus für weiterführende Arbeiten sollte auf einer automatischen Sensitivitätsanalyse für die zu optimierenden Parameter und auf die Parallelisierung des GA durch den Aufbau eines Rechenclusters gerichtet werden. Hierdurch kann viel Berechnungszeit eingespart und es können noch komplexere Raumfahrzeuge bearbeitet werden.


Michael Roscher
email: m.roscher@stud.hs-wismar.de